Zum 1. Januar 2015 ist das Gesetz über den Mindestlohn in Kraft getreten. Arbeitnehmer haben danach Anspruch auf einen Bruttolohn von 8,50 € für jede geleistete Arbeitsstunde. Dieses Gesetz war und ist politisch umstritten. Bis zum Schluss hat es Änderungen am Gesetzestext gegeben. Eine Vielzahl von Rechts- und Umsetzungsfragen sind bis heute nicht geklärt. Die künftige Praxis und, wie häufig im Arbeitsrecht, Urteile der Arbeitsgerichte werden in den kommenden Monaten Antworten geben müssen.

Der Mindestlohn wird in einigen Branchen zu einer Anhebung des Lohnniveaus führen. Insbesondere entsteht aber für nahezu alle Arbeitgeber eine drastische Erhöhung des bürokratischen Aufwands. Im Folgenden sollen einige Problembereiche aufgezeigt werden, die zu einem absehbaren Handlungsbedarf bei Arbeitgebern führen:

Anrechnung von Sachleistungen

Sachleistungen, die ein Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Barlohn erhält, können unter bestimmten Voraussetzungen auf den Mindestlohn angerechnet werden. Sie müssen zum einen innerhalb der Fälligkeit des Barlohns geleistet werden und zum anderen diesem Lohn funktional gleichwertig sein. Dies trifft etwa auf Tankgutscheine, aber auch auf viele andere Leistungen zu. Nicht anrechenbar sind allerdings Zulagen für besondere Erschwernisse der Arbeit, beispielsweise Nachtzuschläge oder tarifvertraglich vorgesehene Zulagen für besondere Arbeitsumstände. Hier sollten Arbeitgeber, die anrechenbare Sachleistungen gewähren, ihre vertraglichen Gestaltungsrechte nutzen.

Arbeitszeitkonten

Die Regelungen zu Arbeitszeitkonten im Mindestlohngesetz erfassen sogenannte Gleitzeitkonten, also nicht die langfristig angelegten Lebensarbeitszeitkonten im Sinne des SGB IV. Grundsätzlich können geleistete Überstunden auf ein Arbeitszeitkonto eingebracht werden, wenn die Überstunden monatlich nicht 50 % der vereinbarten Arbeitszeit übersteigen. Diese Stunden sind binnen 12 Monaten auszugleichen. Es ist umstritten, ob entsprechende Arbeitszeitkonten auch mit einem Minus beginnen dürfen und der Arbeitnehmer dieses Minus durch spätere Mehrarbeit abbaut. Eine solche Möglichkeit sieht das Gesetz seinem Wortlaut nach nicht vor. In jedem Fall müssen Arbeitszeitkonten aber schriftlich vereinbart sein. Die bloße betriebliche Übung, Überstunden zu notieren und gelegentlich abzufeiern, dürfte nicht ausreichen. Arbeitgeber, bei denen entsprechende Gleitzeitkonten vorhanden sind, müssen mithin das Vorliegen klarer Vereinbarung überprüfen und solche im Zweifel mit ihren Arbeitnehmern abschließen.

Aufzeichnungspflichten

Gerade die Aufzeichnungspflichten werden zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand führen. Künftig müssen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit eines jeden Minijobbers (Ausnahme Privathaushalte) aufgezeichnet werden. Gleiches gilt für Arbeitnehmer in den Branchen, für die das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz gilt. Hierunter fallen etwa die Baubranche, das Speditionsgewerbe, das Gaststättengewerbe, die Gebäudereinigung oder die Fleischwirtschaft. Die Aufzeichnungen müssen innerhalb eines bestimmten Termins vorliegen und dann zwei Jahre aufbewahrt werden. Arbeitgeber müssen daher ein handhabbares System der Aufzeichnungen einführen und für dessen Einhaltung sorgen.

Ausnahmen

Das Mindestlohngesetz gilt nicht bzw. noch nicht für Praktikanten, Auszubildende, ehrenamtlich Tätige, Zeitungszusteller und Arbeitnehmer, die im Geltungsbereich allgemeinverbindlicher Tarifverträge arbeiten. Insbesondere bei den Praktikanten kommt es darauf an, dass diese die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen (etwa das Praktikum aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung oder bis zu drei Monaten für die Aufnahme eines Studiums leisten). Die alleinige Bezeichnung eines Beschäftigten als Praktikant ist mithin nicht ausreichend.

Ausschluss- bzw. Verfallklauseln

Ausschlussklauseln sind in Arbeitsverträgen weit verbreitet. Die Arbeitsgerichte halten solche Klauseln weiterhin für zulässig, auch wenn es wegen der Geltung der AGB-Regelungen auf Arbeitsverträge zu erheblichen Verschärfungen gekommen ist. So muss die Verfallfrist etwa mindestens drei Monate betragen und für beide Vertragsparteien gleich lang sein. Entscheidend ist aber, dass Mindestlohnansprüche von dem Verfall ausgenommen werden müssen. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob ein fehlender Hinweis auf den Mindestlohn zu einer Gesamtunwirksamkeit der Klausel führt oder lediglich diese Ansprüche nicht erfasst werden. Arbeitgeber sollten bei neuen Arbeitsverträgen daher in jedem Fall ihre Verfallklausel überprüfen, bei bestehenden Arbeitsverträgen eine Ergänzung vornehmen, soweit dies tatsächlich möglich ist.

Haftung für Subunternehmer

Auftraggeber haften künftig dafür, dass die beim Auftragnehmer Beschäftigten den Mindestlohn erhalten. Diese gesetzliche Haftung befindet sich derzeit bereits in § 14 des Arbeitnehmerentsendegesetzes für die von diesem Gesetz betroffenen Branchen. Arbeitgeber, die für ihre eigenen vertraglichen Verpflichtungen Subunternehmer einsetzen, sollten mithin überprüfen, ob diese tatsächlich den Mindestlohn zahlen.

Der Verstoß gegen die Vorschriften des Mindestlohngesetzes ist erheblich sanktioniert. Unternehmen drohen Bußgeldern in Höhe von bis zu 500.000,00 €. Die Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben obliegt dem Zoll, mit welchem viele Arbeitgeber bereits im Rahmen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes besondere Erfahrungen gemacht haben. Gerade vor diesem Hintergrund müssen die gesetzlichen Vorgaben schnellstmöglich umgesetzt werden.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Cord Imelmann