Für die Beschlussfassung in Personenhandelsgesellschaften gilt gem. § 119 Abs. 1 HGB, §§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 119 Abs. 1 HGB grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip, soweit im Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung getroffen wurde, § 119 Abs. 2 HGB. Das Einstimmigkeitsprinzip stellt daher dispositives Recht dar, von dem die Gesellschafter insbesondere im Gesellschaftsvertrag abweichen können. Problematisch ist, welche Anforderungen an eine solche Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag zu stellen sind und ob über alle Beschlussgegenstände eine Mehrheitsentscheidung möglich ist.

Bei der Prüfung der Wirksamkeit eines mit Mehrheit der Stimmen gefassten Gesellschafterbeschlusses ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen. Auf der ersten Stufe wird die formelle Legitimität des Beschlusses geprüft. Diese betrifft die Frage, ob der Beschlussgegenstand von der Mehrheitsklausel umfasst ist oder ob er der Einstimmigkeit bedarf hätte. Auf der zweiten Stufe wird sodann die materielle Legitimität des Beschlusses geprüft, insbesondere ob eine Beschlussfassung nach dem Mehrheitsprinzip gegen Minderheitsrechte verstößt.

1. Erste Stufe: Auslegung der Mehrheitsklausel

Auf der ersten Stufe galt bislang nach Reichsgerichts- und BGH-Rechtsprechung für die Regelung im Gesellschaftsvertrag, die bestimmen, welche Geschäfte unter die Mehrheitsklausel fallen, der Bestimmtheitsgrundsatz. Danach war es erforderlich, alle Beschlussgegenstände, die dem Mehrheitsprinzip unterfallen sollten, im Gesellschaftsvertrag genau zu bezeichnen. Beispielsweise sollten pauschale Vertragsänderungen erfassende Mehrheitsklauseln nur übliche Vertragsänderungen abdecken, jedoch keine Vertragsänderungen mit ungewöhnlichem Inhalt.[1] Dieses strenge Erfordernis des Bestimmtheitsgrundsatzes hat der BGH aufgegeben.[2] Die formelle Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist weder durch den Bestimmtheitsgrundsatz noch aus anderen Gründen auf gewöhnliche Geschäfte beschränkt.[3] Vielmehr wird die Frage, ob der Beschlussgegenstand von der Mehrheitsklausel umfasst ist, nach neuer BGH-Rechtsprechung nicht anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes ermittelt, sondern durch Auslegung der Mehrheitsklausel.[4] Die Mehrheitsklausel bei Personenhandelsgesellschaften ist nach allgemeinen Grundsätzen gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei neben dem Wortlaut der Klausel auch auf außerhalb des Vertragstextes liegende Umstände, insbesondere auf die Entstehungsgeschichte der Klausel oder auf einen übereinstimmenden Wille der Gesellschafter, abzustellen ist.[5] Die formelle Legitimität ist danach auch bei Mehrheitsbeschlüssen, die ein außergewöhnliches Geschäft oder ein „Grundlagengeschäft“ betreffen und auf eine Mehrheitsklausel gestützt sind, gegeben, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll.[6] Es müssen daher nicht alle Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich aufgeführt sein. Vielmehr ist beispielsweise eine Klausel ausreichend, die bestimmt, dass alle Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit beschlossen werden, soweit keine anderweitigen Regelungen im Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorliegen. Diese Klausel umfasst dann alle Beschlussgegenstände zu denen keine ausdrückliche anderweitige Regelung im Gesetz oder im Vertrag besteht. Von solch einer Klausel können daher grds. alle Gesellschaftsbeschlüsse umfasst sein. Welche Beschlussgegenstände konkret der Mehrheitsklausel unterfallen, ist anhand der Umstände des Einzelfalls im Wege der Auslegung, bei dem insbesondere auf den tatsächlichen Willen der Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags abzustellen ist, zu ermitteln. Unbeachtlich ist auf der ersten Stufe, ob eine Zustimmung des konkret betroffenen Gesellschafters erforderlich ist, da es auf dieser Stufe nur auf die grundsätzliche Möglichkeit einer Mehrheitsabstimmung über diesen Beschlussgegenstand ankommt.[7]

2. Zweite Stufe: Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses

Nachdem auf der ersten Stufe geprüft wurde, ob der Beschluss formell wirksam zustande gekommen ist, ist auf der zweiten Stufe sodann zu prüfen, ob der Mehrheitsbeschluss materiell wirksam ist, er insbesondere nicht gegen unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte verstößt. Eine solche Prüfung wird für alle Beschlussgegenstände vorgenommen, nicht nur für Beschlussgegenstände, die außergewöhnliche oder Grundlagengeschäfte betreffen. Hierbei wurde früher alleine auf die Kernbereichslehre abgestellt, wonach Eingriffe in Kernbereiche der Mitgliedschaftsrechte unwirksam sind.[8] Dies ist der Fall, wenn ein Eingriff in schlechthin unverzichtbare oder in relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte vorliegt. Hierunter fallen beispielsweise die Änderung des Gesellschaftsvertrags sowie Eingriffe in Stimm-, Gewinn- und Geschäftsführungsrechte. So ist z.B. ein Mehrheitsbeschluss über eine Nachschusspflicht in unbestimmten Grenzen oder die Begründung sonstiger neuer Pflichten der Gesellschafter sowie ein rückwirkender Entzug erworbener Rechte (z.B. eines bereits entstandener Anspruchs auf Zinsen) unzulässig. Ein Eingriff in den Kernbereich ist nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich, so dass eine Mehrheitsentscheidung ohne seine Zustimmung materiell unwirksam ist.[9] Der BGH stellt in seiner neueren Rechtsprechung nicht mehr nur auf die Kernbereichslehre ab, vielmehr hauptsächlich auf die Treuwidrigkeit der Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit.[10] Bei Eingriffen in die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters kommt es maßgeblich darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist.[11] Liegt ein Eingriff in den Kernbereich vor, ist regelmäßig eine treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht anzunehmen, während in sonstigen Fällen die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat.[12] Es ist also bei der materiellen Prüfung des Mehrheitsbeschlusses eine Abwägung zwischen Gesellschaftsinteresse und Interesse des betroffenen Gesellschafters vorzunehmen. Daher kann jeweils nur für den Einzelfall bestimmt werden, ob ein Mehrheitsbeschluss einer Personenhandelsgesellschaft auch materiell wirksam ist. Ein materiell unwirksamer Beschluss lässt die Wirksamkeit der Mehrheitsklausel als solche und damit die Bejahung der formellen Legitimität jedoch unberührt.[13]

3. Zusammenfassung: Regelungen im Gesellschaftsvertrag entscheidend

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass immer nur im Einzelfall geprüft und bestimmt werden kann, ob eine Mehrheitsentscheidung über einen konkreten Beschlussgegenstand formell und materiell wirksam durchgeführt werden kann. Eine Verallgemeinerung, nach der bestimmte Beschlussgegenstände von einer Mehrheitsentscheidung grundsätzlich ausgenommen sind, verbietet sich. Möchten die Gesellschafter verhindern, dass grundsätzlich alle Beschlussgegenstände formell wirksam mit der Mehrheit der Stimmen gefasst werden können, sollten sie im Gesellschaftsvertrag genau regeln, welche Gegenstände unter die Mehrheitsklausel fallen sollen und ansonsten das Einstimmigkeitsprinzip vereinbaren. Möchten die Gesellschafter hingegen möglichst alle Beschlüsse mehrheitlich entscheiden, sollten sie die Mehrheitsklausel sehr weit formulieren. In diesem Fall ist die Wirksamkeit der Mehrheitsentscheidung jedoch noch materiell auf die Einhaltung der Treuepflicht zu prüfen. Zu beachten ist, dass die Beschlussgegenstände, die den Kernbereich der Mitgliedschaft in der Gesellschaft berühren, wohl von einer Mehrheitsbeschlussfassung auszunehmen sind, da sie im Regelfall materiell unwirksam sind. Nach BGH-Rechtsprechung bleibt es der Mehrheit aber auch bei Eingriffen in den Kernbereich möglich, die im Einzelfall gegebene Einhaltung der Treuepflicht nachzuweisen.

Endnoten
  • [1] – Vgl. Hopt in Baumbach/ Hueck, § 119 HGB, Rn. 37.li>
  • [2] – Vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2008, Az. II ZR 116/08, in NJW 2008, 669, 671.
  • [3] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 13.
  • [4] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 13.
  • [5] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 14, 15, 24.
  • [6] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 13.
  • [7] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 16, 19.
  • [8] – Vgl. Hopt in Baumbach/ Hueck, § 119 HGB, Rn. 35.
  • [9] – Vgl. Hopt in Baumbach/ Hueck, § 119 HGB, Rn. 35 ff.
  • [10] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 34.
  • [11] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 19.
  • [12] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 12; BGH, Urteil vom 24.11.2008, Az. II ZR 116/08, in NJW 2008, 669, 671.
  • [13] – BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 84/13, Rn. 13.